Jugendaustausch
40 Jahre Städtepartnerschaft Oberhausen - Middlesbrough
Es blieb jedoch zunächst dabei, dass die Jungen - ebenso wie im vorherigen Lager - in Schlafsäcken in Zelten schliefen, während die Mädchen Betten und ein festes Dach über dem Kopf genießen durften.
Once again in Englisch, please!
In den 14 Tagen in denen die Gruppe in Stainsacre Hall wohnte, gab man den Jugendlichen Gelegenheit, die Stadt Middlesbrough, die mit dem Bus zu erreichen war, auf eigene Faust zu erkunden. Horst Schmitz fällt dabei sofort ein uriger Pub mit dem Namen „Windmill“ ein, in dem Generationen von Oberhausener Jugendlichen ihr erstes Bier bestellten (das Ausschenken von Alkohol wurde zu dieser Zeit noch nicht so streng gehandhabt), Dart spielten und den Bauern lauschten, die am Tresen standen und sich in einer Sprache unterhielten, die die Deutschen nur entfernt an Englisch erinnerte. Schmitz: „Wenn mich einer der Jugendlichen fragte, worüber die Bauern sprachen, konnte ich ihnen nur raten, diese selbst zu befragen. Vom nordenglischen Dialekt der Bauern konnte auch ich kein Wort verstehen.“
Einige Programmpunkte
Neben Pub-Besuchen gab es selbstverständlich auch ein offizielles Programm für die Gruppen, das z.B. Fahrten in Jugendzentren oder Orte in der Umgebung vorsah. Oftmals stand dabei ein viertägiger Aufenthalt im Lake District an, den man mit einem (die Insel gen Westen durchquerenden) Bus ansteuerte. Station machte man dann in Lanehead, einem Anwesen mit Zugang zu einem der größten Seen des Lake Districts, dem „Coniston Water“, der vor allem wegen der auf ihm erreichten Geschwindigkeitsrekorde bekannt geworden war. Auch die Jugendlichen bekamen Gelegenheit, ihre Seetüchtigkeit zu erproben, was jedoch in Kajaks und damit auf deutlich weniger temporeiche Weise geschah.
Außerdem umfasste das gemeinsame Programm regelmäßig auch Besuche beim Mayor im Rathaus, wo man mit Tee und Gebäck empfangen wurde. An alle Bürgermeister und deren Frauen, die er über die Jahre kennenlernen durfte, hat Horst Schmitz nur positive Erinnerungen: „Sie waren stets unheimlich freundlich, hielten tolle Reden und sorgten für eine großartige Bewirtung ihrer Gäste aus Deutschland. Die Atmosphäre war nie erstarrt, sondern überaus herzlich.“
Zwischenmenschliches
Um den Austausch mit Gleichaltrigen aus Middlesbrough zu intensivieren, wurden die Jugendlichen, die während der Woche in der gemeinsamen Unterkunft schliefen, am Wochenende in englischen Familien untergebracht. Horst Schmitz berichtet darüber: „Die Familien haben sich immer super um ihre Gäste gekümmert! Alle Jugendlichen waren begeistert und hörten am Montag, wenn sie im Lager zurück waren, gar nicht mehr auf zu erzählen.“
Neben seinen guten Beziehungen zu den Bürgermeistern hebt Herr Schmitz auch das freundschaftliche Verhältnis zu Bob Pettigrew hervor, der viele Jahre lang Jugendpfleger in Middlesbrough und damit auf englischer Seite für die Betreuung der Jugendlichen zuständig war. Gerne denkt er an die Erlebnisse mit dem passionierten Bergsteiger zurück, dessen südenglische Aussprache ihm als „wahrer Genuss“ in Erinnerung geblieben ist. Auf andere Engländer habe Pettigrew, der immer „druckreif“ formulierte, hingegen manchmal arrogant gewirkt. Dabei sei sein Umgang mit den Jugendlichen jedoch toll gewesen, da Pettigrew ihnen immer freundlich begegnet sei, sie aber dennoch „gut im Griff“ gehabt habe. Auch Schmitz selbst hat in all den Jahren keinerlei Disziplinprobleme beklagen können. So durften die Jugendlichen während der Tage in London abends manchmal auch ohne Betreuer die Stadt erkunden, was, wie der ehemalige Jugendbetreuer rückblickend betont, immer gut funktioniert hat: “Wenn wir vereinbart hatten, dass die Jugendlichen um Mitternacht zurück sein sollten, dann waren um Punkt zwölf alle da.“
Horst Schmitz erinnert sich außerdem noch gerne an Alan Ritson, den Leiter von Stainsacre Hall, der sich dort um die Jugendlichen kümmerte. Ritson, eigentlich studierter Biologie, „war ein ganz reizender Mann, sehr fürsorglich, der einen engen Kontakt mit den Jugendlichen pflegte.“ Einmal, so Schmitz, tauchte der Wirt der „Windmill“ in Stainsacre Hall auf und beschwerte sich „in netter Form“ darüber, dass ihm langsam die Gläser ausgingen. „Alan und ich haben daraufhin die Koffer der Jugendlichen durchsucht und etliche Pint-Gläser hervorgeholt, die man wohl als Erinnerungsstücke hatte mitgehen lassen.“
Abschied feiern
Wenn sich der Aufenthalt in England dem Ende näherte, gab es einen großen Abschiedsabend in Stainsacre Hall, an dem sich auch die Gastschwestern und -brüder und deren Familien beteiligten, bei denen die Deutschen die Wochenenden verbracht hatten. Da zur gleichen Zeit immer auch 30 englische Jugendliche in Stainsacre Hall wohnten, war die Runde auf den Abschiedsveranstaltungen sehr groß und es wurde richtig gefeiert. Für diesen Abend stellten die deutschen Jugendlichen selbst ein Programm zusammen, dessen Highlight auf Englisch vorgetragene Sketche waren. Daran hatten auch die englischen Zuschauer ihre Freude! Darüber hinaus wurden deutsche und englische Volkslieder gesungen und es gab viel und gut zu essen. Oft kam sogar ein ganzer gekochter Lachs auf den Tisch, eine Spezialität, die die meisten Deutschen so noch nicht zu Gesicht bekommen hatten.
Eigene Jugenderinnerungen
Einige Jahre bevor Horst Schmitz die Leitung des Jugendaustauschs übernahm, ist er selbst als Teilnehmer nach Middlesbrough gefahren. Damals, im Jahr 1954, war die Stimmung Deutschen gegenüber noch eine andere, als sie ihm in späteren Jahren begegnet ist. Als er im Sommer mit der Gruppe nach England reiste, war Deutschland gerade Weltmeister geworden. Schmitz: „Die Reaktionen schwankten zwischen Neid und Bewunderung. Die Engländer konnten es nicht fassen, dass wir, die den Krieg verloren hatten, nun Fußballweltmeister geworden waren.“
Es habe, so Schmitz, noch recht offene Ressentiments gegenüber Deutschen gegeben. Schmitz erinnert sich an einige ehemalige deutsche Soldaten, die nach dem Krieg in England geblieben waren und dort kleine Geschäfte - Zeitungskioske oder Ähnliches – eröffnet hatten. In Anwesenheit anderer vermieden sie es, mit den deutschen Jugendlichen Deutsch zu sprechen - man wollte nicht als Deutscher erkannt werden.
Auch von seiner Mutter, einer Deutschen, die in London geboren und aufgewachsen war, weiß Schmitz noch eine interessante englisch-deutsche Geschichte aus der Nachkriegszeit zu berichten: Als die Amerikaner nach dem Krieg ihr Hoheitsrecht über das Ruhrgebiet an die Briten abgegeben hatten, kontrollierten britische Soldaten die Ausgangssperre für die Oberhausener Einwohner. Ab 18 Uhr durften die Bewohner ihre Häuser nicht mehr verlassen, auch Fenster und Türen mussten ab dieser Zeit geschlossen sein. Letzteres hatte Mutter Schmitz jedoch vergessen und so schaute sie eines Abends plötzlich in den Lauf einer MP, die durch das geöffnete Fenster auf sie gerichtet wurde. Als sie die darauffolgende englische Order jedoch in schönstem Cockney-Dialekt beantwortete, staunte der britische Soldat nicht schlecht und rief daraufhin seinen Kollegen mit „John, here is a Cockney!“ herbei. Aus dem vertraulichen Gespräch, das die Briten danach mit der Mutter führten, erwuchs für diese eine Stelle als Übersetzerin für die englischen Verwalter im Grafenbusch und deren Frauen. Später habe sie dann sogar in Düsseldorf für die Nato gearbeitet, was für Frauen dieser Generation alles andere als üblich gewesen sei.
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